Über dieses Buch:

Die erschütternden Verse des Peregrina-Zyklus verdanken wir jenem Ereignis,
das man übereingekommen ist, die grösste Leidenschaft in Eduard Mörikes Leben zu nennen:
die Begegnung mit dem Mädchen Maria Meyer. Als junger Student sah Eduard Mörike sich
erstmals jener Übermacht gegenüber, die schicksalhaft Schönes und
geheimnisvoll Schreckliches in einer Person verkörperte: dem
Mädchen Maria Meyer. - Durch Maria wurde ihm seine poetische Feuertaufe zuteil. -
Doch während seiner Dichtung nun ungeahnte Höhen und Tiefen erschlossen
wurden, glaubte er sein Leben aufs äusserste bedroht durch das rätselhaft
Widerspruchsvolle der Abenteurerin - es nur durch radikale Trennung von dem
"schlanken, zauberhaften Mädchen" retten zu können.





Eduard Mörikes "Peregrina", fotografisch illustriert von Michael Gnade.
Glanzfolienband, 68 Seiten mit 32 ganzseitigen SW-Fotografien, Format 20 x 30 cm.

In diesem Band wird die genialische Jugenddichtung ergänzt mit
der Elisabeth-Szene aus dem Roman "Maler Nolten" von Eduard Mörike.
Vorwort von Hans Egon Holthusen: "Mörikes Jugendliebe Maria Meyer".
Der Herausgeber schildert im Nachwort "Für Tanja", wie sie ihm beim Fotografieren
als leibhaftige Inkarnation der Maria Meyer erschien - ihn zur Idee der Konzeption
dieses Werkes inspirierte.


     Eduard Mörike 1824                                                   


Biografischer Hintergrund zur Peregrina-Dichtung

      Eduard Mörike - geboren 1804 - besuchte seit einem halben Jahr die Universität in
Tübingen, als 1823 er von der Liebe zu der von ihm als "Peregrina" besungenen
Maria Meyer erschüttert wurde. Noch immer ist das Bild dieser geheimnisvollen
Fremden verschleiert, das sich weder aus der lückenhaften äusseren Überlieferung
noch aus Mörikes die Geschehnisse verklärender Poesie mit vollkommener Deutlichkeit
heraushebt. Er selbst hat es später vermieden, diese Episode seines Lebens auch
nur mit einem Wort zu berühren und hat ihre papierenen Spuren sorgsam ausgetilgt.

 

   


      Dennoch hat sich mancherlei aufgeklärt: namentlich Marias Identität mit einer
jungen Schwärmerin aus der Schweiz - wo sie sich vierzehnjährig der
Wandergemeinde einer exzentrischen Pietistin anschloss, deren Anhängerschaft
in einemPolizeibericht als wanderndes Bordell bezeichnet wird. Maria behauptete
aber später, aus Ungarn bzw. Österreich zu stammen und ihren Angehörigen
entflohen zu sein, weil man sie habe zwingen wollen, in ein Kloster zu gehen.
Zu Anfang des Jahres 1823 kam sie auf ihrer Wanderfahrt durchs Schwabenland.

Man hatte sie eines Tages ohnmächtig auf einem Steinhaufen liegend aufgefunden,
auf einen Wagen geladen und in das Haus eines Brauereibesitzers gebracht,
sie als Kellnerin angestellt. Im Wirtshaus sah Mörike das zwei Jahre ältere Mädchen
zum erstenmal. Er war fasziniert, überwältigt vom wunderbaren Äusseren des
Mädchens, erhöht durch den Zauber des Fremdländischen und Mystischen ihrer
Legende - zudem nährte seine Leidenschaft ihre auffällige Geistesbildung, die zu
ihrer abenteuerlichen äusseren Existenz in scharfem Gegensatz stand.

 

   


      Mörikes Freund Rudolf Lohbauer, der es durchgesetzt hatte, dass Maria in das Haus
seiner Mutter aufgenommen wurde - und der selbst für die Fremde entbrannt -,
wurde erster Vertrauter von Mörikes Liebe und bestärkte ihn in seiner Schwärmerei.
Als Mörike die Osterferien 1823 bei seiner Mutter verbrachte, befand er sich im Zustand
äusserster seelischer Erregung. Vergebens versuchten jene und Schwester Luise ihn
auf andere Gedanken zu bringen, vor allem ihn von Lohbauer zu trennen, den sie als
Verführer Mörikes betrachteten, obwohl er eine zeitlang Luise sehr nahe gestanden hatte.

Nach Tübingen zurückgekehrt, blieb Mörike mit Maria in brieflichem Kontakt, muss ihr
auch wieder persönlich begegnet sein. Ursprünglich war sie ihm als Heilige in Magdsgestalt
erschienen, aber lange konnte ihm das Schillernde, das Zweideutige ihres Charakters,
in dem sich mit regligiös schwärmerischen und somnambulen Zügen Sinnlichkeit paarte,
nicht verborgen bleiben. Jetzt fasste er sie als "heilige Sünderin" auf.

 

   


      Dann verschwand Maria auf ebenso seltsame Weise aus dem Lande, wie sie gekommen
war. Bald erfuhr Mörike vom Maler Köster in Heidelberg, Maria sei um Neujahr 1824
dort aufgetaucht, habe anfangs überall offene Türen gefunden, sich aber durch ihr
Betragen bald unmöglich gemacht.

"Du mein Gott," heisst es in Kösters Brief an Mörike, "was ist das für ein Geschöpf!
Seinem Schöpfer gleicht es von aussen, inwendig ein Chaos." - Am tiefsten musste
Mörike die Nachricht betrüben, dass sie mit seinen Briefen Missbrauch getrieben habe.
Wie er äusserlich jede Beziehung mit Maria abgebrochen hatte, riss er sich nun
auch innerlich in heftigem Ringen von ihr los. - In einem Brief an Schwester Luise
schreibt er: "Ihr (Marias) Leben, - so viel ist gewiss, hat aufgehört in das meinige weiter
einzugreifen als ein Traum, den ich gehabt und der mir viel genüzt."

 

   


      Schon hatte der Jüngling begonnen, sich im läuternden Bade der Poesie von der irdischen
Leidenschaft zu reinigen. - "Weg, reuebringend Liebesglück in Sünden!" heisst es
in der ersten Peregrina-Ode nach ihrer ursprünglichen Fassung. Da erschien in den ersten
Tagen des Juli 1824 Maria wieder in Tübingen, elend, krank - sie berief sich auf Mörike.
Das mühsam aufgerichtete Gebäude seiner Fassung kam von neuem ins Wanken -
erschüttert entwarf er am 6. Juli eines seiner herrlichsten Gedichte:

Ein Irrsal kam in die Mondscheingärten
Einer einst heiligen Liebe.
Schaudernd entdeckt' ich verjährten Betrug.
Und mit weinendem Blick, doch grausam
Hiess ich das schlanke
Zauberhafte Mädchen
Ferne gehen von mir.

Ach, ihre hohe Stirn
War gesenkt, denn sie liebte mich;
Aber sie zog mit Schweigen
Fort in die graue
Welt hinaus.
   


      Das Bruchstück eines unvollendet gebliebenen Briefs vom Tag vorher zeigt ihn in höchst
bedenklicher Verfassung: " - wenn auch die Leute boshafter Weise mich nie mehr
wollen verstehen als stäk ich in rot Fastnachtskleidern, aber ich lache schändlich jeden aus,
das glaube Du, denn bei Deiner Hand, wenn ich diese halte jetzt, so wird mir wohl.
Denn diese lügen urplötzlich und Du hast doch nicht das Fieber. - Schau so geht der
Mund mir über. Gelt mein Lieber, gelt mein Lieber? Denn Du nimmst mir's niemals übel
dass die lange Hypostase, wie im Mondlicht eine Spinne, leise heimlich kreuzend webe,
dass sie Beute sich gewinne dass sie lebe, dass sie lebe!"

Ein Glück, dass ihm noch gerade rechtzeitig besorgte Freunde zur Seite standen - denn
Peregrina hätte Mörike das Schicksal Hölderlins bereiten können.


   


      Im Peregrina-Zyklus aber fand Mörike den unmittelbarsten Ausdruck seiner Leidenschaft
zu Maria Meyer: im hochzeitlichen, juwelengeschmückten Sprachgewande glänzend und
gleissend, gehören die fünf Oden zum Wunderlichsten, was pathetische Lyrik jemals
hervorgebracht hat.

                    Der Spiegel dieser treuen, braunen Augen
Ist wie von innerm Gold ein Wiederschein;
Tief aus dem Busen scheint er's anzusaugen,
Dort mag solch Gold in heil'gem Gram gedeihn.


                                In diese Nacht des Blickes mich zu tauchen,
Unwissend Kind, du selber lädst mich ein -
Willst, ich soll kecklich mich und dich entzünden,
Reichst lächelnd mir den Tod im Kelch der Sünden!




Hierzu weitere Informationen:
www.eduardmoerike.de


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